Men in tights

Sie sind schell, verdammt schnell ... und unerbittlich, wenn es um freie Fahrt auf freien Wegen geht.

Man erkennt sie an körperbetonten Klamotten in sportiven Farben, die mit viel Klett an Ort und Stelle gehalten werden - natürlich alles atmungsaktiv.

Die Füsse sind in klaustrophobische Enge gehüllt, um jegliche Einflüsse vom Träger fernzuhalten - so cw-Wert-optimiert wie nur geht.

Mit Handschuhen bewehrt schiesst er durch die Landschaft - immer auf der Jagd nach der optimalen Windschlüpfrigkeit.
Stromlinienförmige Helme halten jedes Haar vom Windrausch fern und lassen doch den Kopf nicht kühl(en).

Denn hinter den ulitmativen Sportperformance-Instrumenten (auch Sonnenbrillen genannt), die das halbe Gesicht in gelbes oder orangefarbenes Licht tauchen, kann man einen verbissen-aggressiven Gesichtsausdruck erhaschen.

Dazu stelle ich mir regelmässig die Fragen:
Als aller erstes: Haben die eigentlich Spass an ihrem Sport? 
Und gleich danach folgt: Oder geht es nur darum, in der nächsten sportiven Männerrunde von herunter gerissenen Kilometern, Steigungen oder persönlichen Zeitrekorden zu faseln, um dann kräftige Männerklopfer auf Schulter und Rücken einheimsen zu können - inklusive des nötigen Respekts natürlich?

Wie dem auch sei, auf jeden Fall dulden sie keine weiteren Mitnutzer neben sich auf "ihren" Radwegen. Denn der Blick und das Miteinander mit anderen Verkehrsteilnehmer muss einfach durch den Geschwindigkeitsrausch getrübt sein.
Wie sonst lässt sich das Angeschnauze, Egotrip-Getue und Oberlehrerhafte erklären? Erträgliches Miteinander ist nicht gewünscht. 

Denn wehe man traut sich, entgegen der Richtung auf dem Radweg zu fahren. Sie machen nicht etwa Platz und denken sich ihren Teil, nein! Sie fahren so, dass man selbst gezwungen wird zu bremsen und geben dann noch verbalen Unrat ab.
Das sind dann aber gleichzeitig auch diejenigen, die abends und nachts ohne Beleuchtung und wie eine gesenkte Sau fahren und sich dann wundern, wenn es zu Unfällen kommt*.

Aber zeigen wir doch Grösse und lassen die armen Irren; denn wahrscheinlich gab's beim letzten Mal schlechte Zeiten (soo viele Menschen auf ihren Wegen, sooo viele Ampeln) und kein männliches Geklopfe und keinen Respekt. Ach Mann-o, welch eine Schmach!

Ach, was ist radeln in der Stadt doch schön.


* Nachtrag:
Ausgenommen sind hier natürlich die militanten radelnden Papa-Versionen, die Helm UND Licht nutzen (man muss ja schliesslich Vorbildfunktion haben ...), aber dennoch die radelnden Wildsau mimen. 
Die Kleidung ist natürlich bürotauglich, mit omnipräsenter Regenjacke (gerne auch mit Stirnleuchte ...) und die mit einem Klettband zusammengehaltenen Hosen(aufschläge). 

Die Treibjagd findet dann auch nicht auf dem Rennrad, sondern dem Trekkingrad statt, das natürlich mit seitlichen Taschen für die (sportlichen) Bürobedarf ausgestattet ist.

Weder der Fahrstil, noch der Gesichtsausdruck oder die verbalen Attacken ändern sich aber.